Freitag, 27. November 2009

Einleben

Das “sich hier einleben” ist so eine Sache. Als Deutsche, lernt man hier wieder mal seine Freiheiten der Heimat zu schätzen.

Mit der Dunkelheit wird das Haus nicht mehr verlassen.

Das Haus wird nicht allein verlassen.

Keine Besuche nach Dunkelheit etc... Michi darf bis 22 Uhr bleiben, da er uns mit dem Leben hier vertraut macht, nur dass um 20:30 Uhr schon die letzten Busse fahren =)

Alles nur zu unserem Schutz vor Angriffen, Überfällen etc. Bisher ist uns noch nicht passiert. Wir werden aber auch auf Schritt und Tritt von einer Art „Security Guard“ begleitet, irgendwelche Freunde oder bekannte der Familie wo wir wohnen. Durften nichtmal mit dem Bus von Caracas nach Hause fahren (1 Std. Fahrt). Nein, wir wurden persönlich vor der eigenen haustür abgesetzt. Heute haben wir einen der Profs erzählt dass wir zu zweit am Strand waren. Er hat uns ganz erschrocken angeschaut und ganz aufgebracht gerufen, das sei zu gefährlich! Hier scheinen alle die Verantwortung unseres Wohls auf sich zu nehmen.

Wir fragen uns manchmal, ob wir zu naiv, zu dumm sind, die Schwere der Situation zu realisieren, oder ob die Leute hier nicht doch ein wenig übertreiben. Andererseits fruchten die Stories in soweit, dass wir Angst haben, allein das Haus zu verlassen. Ich war gestern Früh kurz allein Brot holen. Ein Weg von hin und zurück max. 5 Minuten. Das war mir so unangenehm. Plötzlich starrten mich alle nur noch an. Wollt schnell wieder heim. Angstmacherei nennt man sowas.

Den Stories nach zu urteilen, die wir vo allen Seiten her hören, könnten wir aber wirklich zu jeder Tages und Nachtzeit auf der Straße überfallen, ausgeraubt oder in manchen Gegenden sogar erschossen werden.

Verhaltens-Regeln:

Nie allein das Haus verlassen, vorallem als weiße Frau. Wenn doch, dann Menschenmassen suchen.

Bei Dunkelheit nicht das Haus verlassen, es sein denn in sicherer männlicher Begleitung (Michi).

Immer nur geringste Mengen an Geld bei sich haben und die direkt am Körper.

Keine Getränke von Fremden annehmen, wo man nicht gesehen hat, wie er es aufgemacht hat.

Die Tür immer 3 mal abschließen.

Stehst du im Stau, lässt du die Fenster zu, sonst hast du gleich ne Knarre am Kopf und bist ne Minute später ne Arme Maus.

Nie Dollar oder Euros bei sich haben auf Reisen. Du wirst sonst einfach enteignet von der Guarde*

Nie wertvolle Gegenstände wie neues Handy, Kamera bei sich tragen. Hier droht ebenfalls Enteignung.

Wirst du überfallen, dann Augen zu und hoffen, dass sie dich leben lassen. Merkt der Räuber, dass du ihn erkannt hast, hat dein letztes Stündchen geschlagen.

Dann hoffen wir mal, dass uns nichts geschieht das nächste halbe Jahr.

Ansonsten hab ich mich schon ganz gut eingefitzt und das Leben hier gefällt mir, trotz der Kriminalität die an jeder Ecke zu lauern scheint. Die Menschen hier sind einfach nur fantastisch! Bin noch nie irgendwo so herzlich aufgenommen, integriert und umsorgt worden. Daher kann man sich das auch so schlecht vorstellen, dass so schlimme Sachen wirklich geschehen könnten. Aber Deppen gibts ja überall auf der Welt. Und auf einem Motorrad sind sie besonders schnell und gefährlich.

Die Lebenseinstellung und Energie die diese Menschen haben, ist umwerfend! Eine Person kann einen kompletten Bus in ein paar Sekunden in eine Party verwandeln. Unglaublich dieses Animationstalent und dieses Ego! Positiv beeidruckend! Überall ertönen Latinbeats vorallem Salsa und Raggaton, was für mich einTraum ist =) Aus jedem Auto, in der Mensa, in jedem Bus, jedes Handy das klingelt oder Musik abspielt und alle tanzen dazu. Die Frauen in der Mensa hinter der Theke bewegen sich zum Rythmus der Musik genauso wie Personen die auf den Bus warten. Einfach klasse!

* Die Guarde ist ein Art Polizei, aber keine staatliche. Die Privaten sind sehr korrupt und überall vorallem auf Touristen Strecken anzutreffen. Denn da ist am meisten zu holen. Chaves plant daher eine Reform der Polizei um mehr Sicherheit zu gewährleisten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen